Akustische Belastung und pädagogische Praxis: Lärm als unterschätzte Herausforderung im Hauptschulunterricht

von | 17.03.2024

Im Kontext schulischer Herausforderungen nehmen Lärm und übermäßiger Geräuschpegel im Unterricht eine zentrale Rolle ein: Bereits im Jahr 2009 zeigen Studien, dass in Hauptschulklassen Lautstärken zwischen 68 und 80 dB(A) gemessen wurden – deutlich über den empfohlenen 35–45 dB(A) für geistige Tätigkeit nach DIN-Norm. Solche Bedingungen erschweren nicht nur Konzentration und Sprachverständnis, sondern belasten auch die Lernmotivation und emotionale Stabilität von Lernenden und Lehrenden. Insbesondere Hauptschule als soziale und pädagogische Herausforderung rückt so in den Fokus der bildungswissenschaftlichen Debatte.

Die wissenschaftliche Diskussion zielt darauf, Lärm nicht nur als physikalisches Problem zu erfassen, sondern auch als subjektiv erfahrene Belastung zu deuten – abhängig von Kontext, Unterrichtsform, Klassenklima und individuellen Wahrnehmungsmustern. Organisatorische, bauliche und didaktische Faktoren beeinflussen maßgeblich, wie intensiv Geräusche erlebt und bearbeitet werden: Kollegiale Absprache, Raumgestaltungen und rhythmisch strukturierter Unterricht gelten als wirksame Präventionsstrategien.

In diesem Rahmen untersucht Tina Senge in ihrer Studie „Lärm im (Hauptschul-)Unterricht. Eine Studie zum subjektiven Belastungsempfinden von Schülern und Lehrern“. Besonderer Schwerpunkt liegt auf der subjektiven Dimension: Wie erleben Betroffene Geräusche, welche Auswirkungen auf Lern- und Arbeitsprozesse nehmen sie wahr, und welche Mikrofaktoren modifizieren das Belastungserleben?

Senge kombiniert qualitative Befragungen mit beobachtenden Schulbesuchen und dokumentiert, dass Lärm nicht automatisch mit physikalisch messbarer Lautstärke korreliert – wichtig ist, ob er als störend empfunden wird. Die Ergebnisse zeigen, wie sehr Unterrichtsverhalten, Raumklima und soziale Interaktionen das subjektive Lärmempfinden prägen. Auf Grundlage dieser Befunde entwickelt sie gezielte Empfehlungen für die pädagogische Praxis, etwa zur Klassenzimmergestaltung, zum Einsatz von Ritualen, zur Lautkontrolle und zum Einüben gemeinsamer Klassenregeln.

Das Buch richtet sich an Fachkräfte und Forschende aus Pädagogik, Schulpsychologie und Unterrichtsentwicklung. Lehrende gewinnen Einsichten zur Reflexion eigener Lehrpraxis, Studierende erhalten eine fundierte Basis für den Umgang mit Unterrichtsstörungen. Die Studie unterstützt Schulen bei der Entwicklung lärmreduzierender Maßnahmen – von der Raumakustik bis zur kollegialen Lehrkoordination.

Mit ihrem analytisch-pragmatischen Ansatz macht Tina Senge in „Lärm im (Hauptschul-)Unterricht“ deutlich, dass Lärm mehr ist als Schallpegel: Er ist ein interaktionell geprägtes Lehr-Lern-Problem, das didaktische, organisatorische und soziale Antworten erfordert.