Führung im Übergang: Management zwischen gesellschaftlichem Wandel und struktureller Neuorientierung

von | 04.08.2014

Im Jahr 2014 verändert sich der öffentliche Diskurs über Führung grundlegend. Die Einführung einer gesetzlichen Geschlechterquote für Aufsichtsräte in großen börsennotierten Unternehmen markiert eine politische und gesellschaftliche Zäsur: Künftig sollen mindestens 30 % der Sitze mit Frauen besetzt werden – eine Maßnahme, die weit über symbolische Repräsentanz hinausgeht. Sie zwingt Unternehmen dazu, strukturelle Fragen der Gleichstellung, Verantwortung und Legitimation auf höchster Ebene ernsthaft zu adressieren. Die Quotenregelung ist dabei nicht nur Auslöser heftiger politischer Auseinandersetzungen, sondern auch ein Katalysator für tiefgreifende Diskussionen über die Zukunft von Führung und Governance im 21. Jahrhundert.

Gleichzeitig steht das Management durch den technologischen Wandel unter Druck. Die Digitalisierung verändert Arbeitsprozesse, Informationsflüsse und Entscheidungslogiken. Organisationen sehen sich gezwungen, auf wachsende Komplexität und Unsicherheit nicht nur operativ zu reagieren, sondern strukturelle Anpassungen vorzunehmen. Klassische Führungsmodelle, die auf Kontrolle, Effizienz und hierarchischer Steuerung beruhen, geraten zunehmend an ihre Grenzen. Neue Konzepte wie partizipative Führung, verteilte Verantwortung und lernende Organisationen gewinnen an Relevanz. Führungskräfte sollen nicht länger nur Zielvorgaben durchsetzen, sondern zunehmend Kommunikation ermöglichen, Deutungshorizonte öffnen und kollektive Lernprozesse gestalten.

Diese Entwicklungen erfordern ein Umdenken – nicht nur in der Praxis, sondern auch in der Managementlehre. Es genügt nicht mehr, Management als bloßes Set technischer Instrumente zu begreifen. Vielmehr ist eine theoretisch fundierte Auseinandersetzung mit den Bedingungen, Grenzen und Möglichkeiten von Führung notwendig. Fragen nach Machtverhältnissen, normativen Grundlagen, organisationaler Lernfähigkeit und der Rolle von Führungskräften im gesellschaftlichen Wandel rücken in den Mittelpunkt.

In diesem Kontext erscheint die zweite Auflage von FM 01 | Management Einführung von Prof. Dr. Dr. h.c. Ulrich Wehrlin. Das Buch greift zentrale Themen der Managementforschung auf und bietet eine konzeptionell dichte, zugleich verständlich strukturierte Einführung. Es behandelt klassische Funktionen wie Planung, Organisation, Führung und Kontrolle, stellt diese aber in ein Verhältnis zu gegenwärtigen Herausforderungen wie Change Management, Innovationsdynamik und Wissenssteuerung. Wehrlin verknüpft funktionale und systemische Perspektiven mit ethisch-normativer Reflexion – etwa dort, wo es um Macht, Verantwortung, Legitimität oder Diversität in Führungsprozessen geht.

Statt einfache Handlungsempfehlungen zu geben, eröffnet das Buch einen analytischen Zugang zu Management als komplexer sozialer Praxis. Dabei werden nicht nur theoretische Modelle dargestellt, sondern auch kritisch eingeordnet. Besondere Aufmerksamkeit gilt der Frage, wie Organisationen lernen – ein zentrales Thema in Zeiten strukturellen Wandels. Auch aktuelle Entwicklungen wie die institutionelle Verankerung der Frauenquote oder neue Anforderungen an Führung in digitalen Kontexten werden in die Reflexion einbezogen.

Das Buch richtet sich an Studierende der Wirtschaftswissenschaften und angrenzender Disziplinen, die sich systematisch mit den Grundlagen, Begriffen und Spannungsfeldern von Management beschäftigen. Ebenso spricht es Lehrende an, die eine strukturierte, konzeptuell fundierte Einführung in das Thema suchen. Für Fach- und Führungskräfte bietet es Anregung zur Reflexion der eigenen Rolle und Handlungspraxis – insbesondere in Kontexten organisationaler Veränderung, kultureller Vielfalt und wachsender gesellschaftlicher Verantwortung.

Mit seiner Verbindung von theoretischer Klarheit, gesellschaftlicher Relevanz und methodischer Struktur leistet Wehrlins Einführung einen eigenständigen Beitrag zur Managementausbildung im deutschsprachigen Raum. Es reflektiert nicht nur den Stand der Forschung, sondern macht deutlich, wie eng Management heute mit Fragen sozialer Gerechtigkeit, organisationaler Lernfähigkeit und nachhaltiger Entscheidungsfindung verknüpft ist.