Bergwandern wird im schulischen Kontext bislang nur selten als pädagogisches Instrument eingesetzt, obwohl seine Potenziale für die Persönlichkeitsentwicklung und die ganzheitliche Bildung junger Menschen inzwischen gut dokumentiert sind. In einer zunehmend bewegungsarmen, digitalisierten Lebenswelt, in der Naturerfahrungen seltener werden, gewinnt das Wandern – insbesondere in bergigem Gelände – als bewusst entschleunigte und erfahrungsorientierte Aktivität an Bedeutung. Es bietet nicht nur körperliche Herausforderungen, sondern auch kognitive, emotionale und soziale Lerngelegenheiten. Die Natur dient dabei nicht nur als Kulisse, sondern als aktiver Lernraum, in dem Schüler:innen Selbstwirksamkeit erleben, Teamarbeit erproben und ihre Beziehung zur Umwelt reflektieren können.
Wissenschaftliche Studien aus der Sportpädagogik und Erlebnispädagogik zeigen, dass solche Outdoor-Aktivitäten das Selbstvertrauen stärken, Stress abbauen und das Verantwortungsbewusstsein fördern. In schulischen Wanderprojekten werden diese Effekte besonders dann wirksam, wenn sie didaktisch begleitet sind und Raum für Reflexion bieten. Auch curriculare Anknüpfungspunkte lassen sich herstellen, etwa im Fach Sport, in der Umweltbildung oder in interdisziplinären Projekten. Zudem gewinnen Fragen der Sicherheit, Motivation und pädagogischen Verantwortung besondere Bedeutung, wenn es um Wanderungen im alpinen Gelände geht. Lehrkräfte müssen nicht nur physische Anforderungen einschätzen können, sondern auch gruppendynamische Prozesse steuern und pädagogisch sinnvoll gestalten.
In der schulischen Praxis zeigen sich bereits erste erfolgreiche Ansätze: Projekte wie mehrtägige Hüttentouren oder Alpenüberquerungen mit Oberstufenklassen verdeutlichen das Potenzial solcher Unternehmungen. Die Erfahrungen aus diesen Projekten bestätigen, dass das Bergwandern gerade in der Adoleszenzphase eine wertvolle Gelegenheit darstellt, Jugendliche aus ihrem gewohnten Umfeld herauszuführen und ihnen neue Formen des Lernens zu eröffnen. Dabei geht es nicht nur um körperliche Bewegung, sondern um das Erleben von Natur, das Bewältigen von Herausforderungen und das gemeinsame Erreichen von Zielen. Das pädagogische Potenzial des Bergwanderns liegt somit in der Verbindung von Naturerfahrung, körperlicher Aktivität und pädagogisch strukturierter Auseinandersetzung – eine Chance, die schulische Bildung zunehmend stärker nutzen sollte.
Das vorliegende Buch von Geraldine Euler greift dieses vielschichtige Thema fundiert auf und verbindet theoretische Grundlagen mit konkreten schulpraktischen Umsetzungsmöglichkeiten. Besonders hervorzuheben ist die differenzierte Verknüpfung von erziehungswissenschaftlichen, sportpädagogischen und erlebnispädagogischen Perspektiven. Die Autorin analysiert nicht nur die historischen und kulturellen Hintergründe des Wanderns und Bergwanderns, sondern zeigt auch auf, wie sich Wanderprojekte im schulischen Kontext sinnvoll planen und umsetzen lassen – unter Berücksichtigung von Altersstufen, Motivation, Sicherheitsaspekten und curricularem Bezug. Durch eigene Projekterfahrungen und die Auswertung von Fallbeispielen aus unterschiedlichen Schultypen bietet das Buch einen praxisnahen Zugang, der Lehrkräften konkrete Anregungen für die Gestaltung von Bergwanderungen im schulischen Rahmen liefert. Damit leistet es einen wertvollen Beitrag zur Diskussion um bewegungsorientiertes Lernen und Bildung im Naturraum.
Das Buch Das pädagogische Potenzial des Bergwanderns. Grundsätzliche Überlegungen und Umsetzungen im Rahmen der Schule ist bei Optimedien erschienen und über Elitebuch erhältlich. Es bietet fundierte Einblicke für alle, die sich mit bewegungsorientierter Bildung, Erlebnispädagogik und schulischen Outdoor-Projekten befassen – von Lehrkräften und Pädagog:innen bis hin zu Bildungswissenschaftler:innen.

